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Anti-Pollution-Kosmetik

 

Aufgrund schärferer Gesetze sind die Umweltbelastungen in Deutschland in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen. Umgekehrt hat die individuelle Sensibilität für schädigende Einflüsse aus der Umwelt ständig zugenommen. Neben Produkten für den Hautschutz haben sich nun auch "entgiftende" Kosmetika etabliert. Wie und wo sie wirken, erfahren Sie vom Experten.

 

Kosmetik verfolgt neben Körperreinigung, Duftanwendungen und dekorativer Pflege vor allem den präventiven Schutz der Haut. Während der Schutz historisch auf die Verstärkung der Hautbarriere mittels Fettstoffen fokussiert, also eher passiv ausgerichtet war, kam erst viel später der Aspekt des aktiven Hautschutzes hinzu.
Beim aktiven Hautschutz verwendet man Wirkstoffe, die sich gezielt gegen äußere Einflüsse richten, sie neutralisieren oder unschädlich machen. Ein Beispiel sind die Sonnenschutzmittel, deren UV-Filter die energiereiche ultraviolette Strahlung reflektieren oder in Wärme umwandeln1

Mögliche Umweltbelastungen

Das Sonnenlicht ist nur einer von vielen Umweltfaktoren, die auf den Organismus und die Haut einwirken. Man kann drei Gruppen unterscheiden:

  • Naturgegebene Einflüsse: sind die bereits erwähnte UV-Strahlung sowie daraus resultierende Kohlenwasserstoff-Radikale, wenn unter Mitwirkung von Luftsauerstoff oder Ozon natürliche Lipide, flüchtige von Pflanzen emittierte Kohlenwasserstoffe (VOC = Volatile Organic Compounds), aber auch synthetische Hautpflegekomponenten wie Polyethylenglykole (PEG)2 angegriffen werden.
    Zu den Radikalen gehört auch das Stickstoffdioxid, das sowohl bei atmosphärischen, elektrischen Entladungen, z. B. Gewitter, als auch an Hochspannungsleitungen und in Kfz-Verbrennungsmotoren entsteht.
    Daneben spielen Aerosole, d. h. feste und flüssige Teilchen wie Stäube und Nebel eine Rolle. Beispiele sind Pollen, aufgewirbelte, zum Teil nanopartikuläre Mineralien wie Aluminiumoxid (Tonerde) und Kieselsäure (Sand) sowie jegliche Arten von Mikroorganismen und deren Stoffwechselprodukte.
    Kontaktallergene aus pflanzlicher (z. B. Toxine, Proteine, phototoxische Bestandteile) und tierischer Provenienz (Milben, Katzenhaare etc.) inklusive der in Kosmetika verwendeten Pflanzenextrakte mit ihren zahlreichen, teils unbekannten Komponenten sind allgegenwärtig.3 Nicht zuletzt ist die Wasserqualität von Bedeutung, da hohe Konzentrationen von Härtebildnern (Calcium, Magnesium) in Verbindung mit intensiver Hautreinigung (s. u.) bereits vorhandene Barrierestörungen verstärken.4
  • Anthropogene Belastungen sind beispielsweise Rußpartikel inklusive polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), flüchtige organische Verbindungen (VOC), Stickstoffdioxid (s.o.), Schwefeldioxid aus der Verbrennung von Schweröl und Kohle, Zigarettenrauch sowie zahllose irritativ und allergen wirkende Chemikalien (u. a. Konservierungsstoffe und Desinfektionsmittel)5, die am Arbeitsplatz und im Haushalt Verwendung finden.
  • Kulturell bedingte Faktoren stellen zweifelsohne die größte Belastung für die Haut dar. Ernährung6, Arzneimittel7, mangelnde Bewegung, Schwermetalle (u. a. Modeschmuck, Haushaltsgegenstände) und ein falsches Hygieneverständnis8 sowie die Überpflegung9 sind ausschlaggebende Einflüsse. Dabei nehmen Schädigungen der Hautbarriere und deren Hautflora einen breiten Raum ein.

Die Aufzählung könnte im Detail beliebig erweitert werden. Die Erfüllung des Wunsches nach einem vollständigen Schutz ist daher illusorisch. Er ist auch nicht sinnvoll, da viele der naturgegebenen Einflüsse bereits von der Geburt an zur Immunisierung beitragen.
Es ist kein Geheimnis, dass die Anlage für atopische Haut häufig erst durch übertriebene Hygiene in Erscheinung tritt und die Bevölkerung in ländlichen Bereichen weniger anfällig für entsprechende Barrierestörungen ist.
Ähnlich zu sehen sind Tagescremes, die mit UV-Filtern ausgestattet sind und die endogene Vitamin D-Synthese unterbinden - mit vielfältigen Auswirkungen auf den körperlichen Stoffwechsel. Eine andere Folge der Überpflegung sind die Rosacea-Erscheinungen der keltischen Haut nach jahrelangen Fruchtsäure-Behandlungen.

Wie schützt man sich?

Der Schutz gegen Umweltbelastungen beginnt daher zweckmäßig mit der Änderung der im persönlichen Bereich liegenden kulturellen Faktoren. Die Anpassung der Verhaltensweisen und die verwendeten Produkte stehen dabei im Vordergrund.
Auch bei anthropogenen (durch Menschen hervorgerufenen) Einflüssen ist der Spielraum noch relativ hoch - insbesondere, was den Umgang mit Chemikalien betrifft. Es empfiehlt sich, auf die Zusammensetzungen zu achten, nach Alternativen zu suchen, Verzicht zu üben und sich gezielt durch Handschuhe, Cremes etc. zu schützen.
Einige Einflüsse wie Luftverunreinigungen wird man nicht vermeiden können und dies gilt durchweg auch für die naturgegebenen Faktoren, d. h. hier wird man überlegen müssen, welche Gegenmaßnahmen man in Form von Wirkstoffen (aktiver Hautschutz) in Hautpflegeprodukten ergreifen kann.

Aktiver Hautschutz

In diesem Zusammenhang werden neuerdings konventionelle Hautreinigungspräparate über Peelings bis hin zu Fruchtsäurebehandlungen als "detoxifizierend" bezeichnet.
Das kann naturgemäß für den uninformierten Verbraucher irreführend sein. Selbstverständlich werden bei der Reinigung aus der Umwelt stammende Stoffe entfernt. Andererseits öffnet aber gerade die häufige und "porentiefe" Reinigung das Tor für andere kontraproduktive Einflüsse.
Fakt ist, dass eine noch so gute Pflegecreme die ausgewaschenen hauteigenen Barrierestoffe nicht ersetzen kann. Auch lange bekannte Produkte, die auf die Absorption von Fremdstoffen abzielen, wie z. B. Heilerden (Lehm, Ton), Zeolithe, Moorpackungen, Aktivkohle (Holzkohle) oder entsprechende Masken, sind nach wie vor nützlich, aber die Begriffe "Detox", "Anti-Pollution", "Entgiftung" oder "Entschlackung" haben in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach keinen Bezug zur Realität.
Reinigungsmittel enthalten oft den synthetischen Komplexbildner Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA), der Härtebildner und Schwermetalle bindet. EDTA wird biologisch nur schwer abgebaut und bindet während der Reinigung auch die Schwermetalle der epidermalen Enzyme. Pflanzliche Komplexbildner und einige synthetische Peptide arbeiten analog.
Die schwachen komplexbildenden Eigenschaften von Polyethylenglykolen (PEG) in Pflegecremes führen dazu, dass das immer noch in Modeschmuck vorkommende Nickel aktiviert, leichter gelöst wird und in der Haut zur Allergie führt.
Die in Reinigungspräparaten und Körpercremes enthaltenen Substanzen beeinflussen die Mikroflora der Haut in vielerlei Weise. Die Mikroflora produziert unter anderem Säuren, die den pH der Haut auf niedrige Werte einstellen, andererseits sind die Keime fakultativ (möglich, aber nicht zwingend) pathogen (krankheitserregend), insbesondere wenn die Barriere gestört ist oder Verhornungsstörungen vorliegen. Hohe Fettstoffgehalte fördern anaerob lebende Keime10, Konservierungsstoffe die Ausbildung resistenter Keime, um nur einige Effekte zu nennen. Daher ist darauf zu achten, dass die Zusammensetzungen chemisch und physikalisch die Barriere unterstützen und nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich Creme aufgetragen wird. Auf kontraproduktive Hilfsstoffe ist ganz zu verzichten. Bei moderater Hautreinigung - so oft wie möglich ohne Zuhilfenahme von Tensiden - geht erfahrungsgemäß auch das Risiko für Pilzinfektionen zurück.

Antioxidantien in Maßen

Einen breiten Raum nehmen Antioxidantien alias Radikalfänger11 ein. Darunter befinden sich Vitamine, pflanzliche und synthetische Substanzen. Sie sind meist, aber nicht immer wirksam, wenn atmosphärische Radikale wie das erwähnte Stickstoffdioxid oder durch Strahlung erzeugte Peroxide auf und in die Haut gelangen. Da die meisten von ihnen die Bildung des schützenden Melanins hemmen und ein Zuviel bekanntlich eine gegenteilige Radikalkettenreaktion auslösen kann, ist auch in diesem Fall auf moderaten Einsatz zu achten.
Noch besser ist es, das hauteigene Schutzsystem - bestehend aus den Aminosäuren des NMF (Natural Moisturizing Factor) - bei der Hautpflege durch gut penetrierende liposomale Aminosäuren zu unterstützen. Aminosäuren halten nicht nur die Haut feucht, sondern machen auch Radikale unschädlich.12
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass auch Peptide und Pflanzenextrakte (inkl. Stammzellen-Auszüge) zur angeblichen Anregung des endogenen antioxidativen Zellschutzes angeboten werden. Das atmosphärische Schwefeldioxid (s.o.) ist übrigens ein Antioxidans, das in Form von Schwefliger Säure Lebensmitteln wie z. B. Wein und Säften zugesetzt wird.
Da Strahlung und Radikale die Melaninbildung und die Vitamin D-Synthese anregen, ist es meiner Meinung nach wenig sinnvoll, Sonnenschutzmittel zusätzlich mit Antioxidantien auszurüsten. Man erinnere sich, dass die meisten körperlichen Heilungsprozesse wie Fieber und Infektbekämpfung sowie die Eliminierung von fremden Zellen inklusive Krebszellen radikalisch ablaufen. Zuviel Antioxidantien sind daher kontraproduktiv. Im Übrigen werden gegenwärtig vermehrt Produkte mit Polyphenolen in Form von Tee-Extrakten (weiß, grün, schwarz) angeboten, die gleichzeitig antioxidativ und adstringierend wirken. Das ist nicht neu: Der altbewährte Teeaufguss lässt grüßen.

Genau prüfen

Produkte gegen Umweltbelastungen beschränken sich bisher neben dem konventionellen Barriereschutz wirkstoffseitig auf UV-Filter (Sonnenschutz), Hautreinigung in allen Varianten (Entfernung von äußerlichen Fremdstoffen und endogenen Hautbestandteilen) und Antioxidation (Schutz vor Radikalen).
Darüber hinaus wird oft der Schutz gegen Schadstoffe ohne genaue Spezifikationen in den Raum gestellt, d. h. es bleibt offen, welche Umwelteinflüsse tatsächlich gemeint sind und welche "detoxifizierenden" Mechanismen im Detail ablaufen. Somit unterscheiden sich die Präparate nicht grundlegend von herkömmlichen Kosmetika und deren Ansprüchen.
Entfernung, Abbau und Recycling undefinierter Schlackenstoffe sind Marketing-Erfindungen, die auch bei Nahrungsergänzungsmitteln gang und gäbe und nicht belegt sind. Viele der Produkte enthalten Konservierungs-, Duft- und andere Hilfsstoffe, die der eigentlichen Thematik nicht gerecht werden.
Kosmetika sind selbst in vielerlei Hinsicht an anthropogenen Umweltbelastungen beteiligt, wenn man z. B. die Rohstoffgewinnung und die Gewässerbelastungen betrachtet. Diese zu minimieren, ist ebenfalls ein komplexes Ziel.

Referenzen

  1. Lautenschläger H, Sonnenschutzprodukte - gezielt anwenden, medical Beauty Forum 2014 (2), 16-18 und Beauty Forum 2015 (2), 64-67
  2. Lautenschläger H, Polyethylenglykole & Co - Von Wirkungen und Nebenwirkungen, Kosmetische Praxis 2009 (1), 12-15
  3. Lautenschläger H, Unerwünschte Nebenwirkungen, Ästhetische Dermatologie (mdm) 2016 (7), 50-55
  4. Lautenschläger H, Pflege bei Neurodermitis - Die Barriere unterstützen, Kosmetische Praxis 2005 (1), 9-11
  5. Lautenschläger H, Kontaktdermatosen - Ursachen, Prävention und Profi-Pflege irritierter Haut, Kosmetik International 2016 (10), 18-21
  6. Lautenschläger H, Nahrungsmittelintoleranzen - wenn Essen die Haut reizt, medical Beauty Forum 2012 (4), 18-20
  7. Lautenschläger H, "Ich vertrage das Produkt nicht" - Einfluss von Arzneimitteln auf Haut und Hautpflege, Kosmetische Praxis 2009 (2), 11-14
  8. Lautenschläger H, Die Facetten der Intimpflege - Weniger ist mehr, medical Beauty Forum 2014 (2), 35-37
  9. Lautenschläger H, Überpflegung - Einfach zu viel des Guten, Kosmetik International 2015 (3), 22-25
  10. Lautenschläger H, Korneotherapeutische Hautpflege bei Rosacea, Ästhetische Dermatologie (mdm) 2010 (3), 16-20
  11. Lautenschläger H, Antioxidantien und Radikalfänger - zu viel ist zu viel, Ästhetische Dermatologie (mdm), 2015 (8), 12-16
  12. Lautenschläger H, Moisturizer in der Hautpflege, Beauty Forum 2011 (3), 86-88 und 2011 (4), 46-49

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
medical Beauty Forum
2017 (3), 12-15

 
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