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Öle und Fette in kosmetischen Produkten - Natur contra Petrochemie?

 

Ein Thema, das immer wieder kontroverse Diskussionen auslöst, ist die Verwendung von mineralölbasierten Kohlenwasserstoffen in kosmetischen Präparaten. Es gewinnt vor allem in der kalten Saison an Aktualität, da die Haut gegen Austrocknung und Kälte empfindlich reagiert und entsprechend effektiv mit fettenden Stoffen geschützt werden sollte. Wodurch unterscheiden sich Öle und Wachse aus der Petrochemie von natürlichen Fetten und Ölen?

 

Die menschliche Haut schützt sich hauptsächlich durch die im Stratum corneum befindlichen Barriereschichten, die aus Ceramiden, Fettsäuren und Cholesterin bestehen, sowie durch die Ausscheidungen (Sebum) der Talgdrüsen. Das Sebum setzt sich aus Triglyceriden (41%), Fettsäuren (16%), Wachsen (25%), Squalen (12%), Cholesterin (1,4%) und Cholesterinestern (2%) zusammen und prägt den Lipidmantel der Haut.

Vorbild - die Haut

Man kann vermuten, dass Kosmetika, deren Zusammensetzungen den Barriereschichten und dem Sebum gleichen, für die Hautpflege optimal sind. In der Tat zeigen Untersuchungen mit auf die Haut applizierten Barrierebestandteilen dann ein Regenerationsoptimum, wenn das natürliche Mischungsverhältnis, d. h. ein molares Verhältnis von Ceramiden (50Gew.-%), Fettsäuren (15Gew.-%), Cholesterin (25Gew.-%) = 1:1:1, eingehalten wird. Der Einfluss der Sebumlipide ist heute noch weitgehend unklar. Im Zweifelsfall dürfte es aber von Vorteil sein, die individuellen physiologischen Verhältnisse zu berücksichtigen.

Das Sebum

Die Sebumtriglyceride (in Triglyceriden ist Glycerin mit 3 Fettsäuren verknüpft) gleichen den fetten pflanzlichen Ölen. Die pflanzlichen Fettsäuren enthalten jedoch mehr ungesättigte Säuren. Anders als die Triglyceride ist Squalen ein reiner flüssiger Kohlenwasserstoff (KW), d. h. es enthält nur Kohlenstoff und Wasserstoff (C30H50). Squalen gehört zur Gruppe der Triterpene und ist biologisch die Vorstufe des Cholesterins. In der Kosmetik wird das ungesättigte - das heißt Doppelbindungen enthaltende - Squalen in der Regel durch das weniger sauerstoffempfindliche Squalan (C30H62) ersetzt, das aus pflanzlichem Squalen durch Hydrierung (= Addition von Wasserstoff) hergestellt wird.
Das aus den Talgdrüsen der Schafe stammende Lanolin ist ebenfalls KW-haltig, allerdings enthält es im Gegensatz zum menschlichen Sebum nur Spuren davon (< 1%).

Kohlenwasserstoffe

Pflanzlich: Squalen und andere KW sind im Pflanzenreich weit verbreitet. Einige spielen beispielsweise als Obst-Aromastoffe mit balsamischer, würziger, kiefernartiger Note eine Rolle. Carotin (C40H56) ist ein ungesättigter KW. Pflanzenwachse enthalten KW. Bienenwachs: 15%, Candelillawachs: 45%, Carnaubawachs: 2%. Die Wachse auf der Schale von Früchten enthalten neben Wachsestern, Wachsalkoholen und freien Fettsäuren auch KW.

Mineralisch: Gesättigt und reaktionsträge sind mineralische, aus Erdöl und Erdwachsen gewonnene KW wie Paraffin (fest), Paraffinöle und Vaseline (Petrolatum). Sie zeichnen sich durch ein sehr breites Spektrum an Einzelkomponenten aus. Hochgereinigte Fraktionen haben als Salben- und Zäpfchengrundlagen Eingang in die Arzneibücher gefunden. Ihre Hautverträglichkeit ist durchweg ausgezeichnet, wobei allerdings weiße Vaseline in reiner Form einen deutlich erhöhten Akanthose-Faktor besitzt. Das heißt, es tritt nach zehn Tagen Behandlungsdauer eine Verdickung der Epidermis bei gleichzeitig vergrößertem Stratum spinosum auf. Inwieweit es sich dabei um eine Folge der Okklusivität mit nachfolgender Hautquellung handelt, ist unklar. Da man Öle und Fette nur in seltenen Fällen in 100%iger Form einsetzt, sind diese Befunde in ihrer praktischen Bedeutung für kosmetische Cremes vermutlich weniger relevant. In der Vergangenheit spielten allerdings bei der Verträglichkeit der Paraffinöle die Gehalte an krebserzeugenden und mutagenen, aromatischen Kohlenwasserstoffen eine große Rolle.

Im Vergleich

Was spricht gegen den Einsatz der preisgünstigen mineralischen KW in Kosmetika anstatt empfindlicher pflanzlicher Öle, wenn selbst der menschliche Körper KW produziert? Dazu eine Zusammenfassung der Eigenschaften der Triglyceride pflanzlicher Öle:

  • Pflanzliche Öle sind auf der Haut kein Fremdkörper. Sie integrieren sich in das Triglycerid-Gleichgewicht der Haut und können demzufolge auch abgebaut werden.
  • Pflanzenöle enthalten physiologische barriereaktive Säuren wie Palmitinsäure. Linolsäure verstärkt indirekt die Hautbarriere, da sie in das Ceramid I eingebaut wird. Linolsäure, alpha-Linolensäure und gamma-Linolensäure bilden in der Haut starke entzündungshemmende Abbauprodukte.
  • Viele Pflanzenöle enthalten als Nebenkomponenten Phytosterine, die dem hauteigenen Cholesterin sehr nahe stehen. Weitere vorteilhafte natürliche Begleitstoffe können unter anderem Vitamine wie Vitamin E sein.
  • Durch den Fettcharakter wirken pflanzliche Triglyceride hautglättend. Die Fettung bewirkt eine moderate Senkung des transepidermalen Wasserverlustes (TEWL). Zu starke Senkungen des TEWL sind jedoch eher unerwünscht, da die Haut zur Aufrechterhaltung ihrer natürlichen Funktionen noch "atmen" können muss.

Pflanzliche Triglyceride vermitteln daher eine multifaktorielle Wirkung. Ungesättigte Pflanzenöle sind allerdings gegenüber Luftsauerstoff empfindlich und müssen mit antioxidativen Vitaminen stabilisiert werden. Wasserhaltige Präparate sind nur begrenzt haltbar, da auch eine (sehr langsame) Spaltung der Triglyceride stattfindet.
Dagegen besitzen Paraffinöl & Co eine hohe chemische Stabilität gegenüber Luftsauerstoff, Wasser und mikrobiellem Abbau. Wirkstoffcharakter haben mineralische KW dagegen nicht.

Eine Definitionsfrage

KW führen zweifellos zu einer exogenen Regeneration der Hautbarriere in der Form, dass Mineralöle und Vaseline tröpfchenförmig in die oberen Barriereschichten eingebaut werden können. Emulgatoren unterstützen naturgemäß diesen Prozess durch die Feinverteilung der Tröpfchen. Diese oberflächliche Reparatur der Barriereschicht entspricht zwar nicht der Physiologie des natürlichen Vorbilds, sie führt aber zur gewünschten Absenkung des transepidermalen Wasserverlustes (TEWL) und zur Erhaltung der Hautfeuchte. Inwieweit stärker okklusive Effekte - erkennbar durch den noch weiter abgesenkten TEWL - ausgelöst werden, hängt von der Dosierung der Mineralölprodukte ab. Die stärkste Senkung des TEWL zeigt Vaseline. Appliziert man nach Barrierestörungen (z. B. bei trockener Haut) undurchlässige Filme auf der Haut, wird verhindert, dass sich die epidermale Fettsäure-Synthese erhöht, und die natürliche Anregung der DNA- und der mRNA-Aktivitäten der Haut wird unterbunden. Aus der kosmetischen Praxis ist bekannt, dass Benutzer(innen) hoch mineralölhaltiger Cremes ihre Haut überdurchschnittlich als sehr trocken einschätzen.
Mineralöle werden nicht resorbiert und reichern sich in den oberflächennahen Schichten an. Das glättende Gefühl hält dementsprechend länger an - anwendungstechnisch und sensorisch ein Vorteil gegenüber den resorbierbaren Triglyceriden. Das natürliche Gleichgewicht und die hauteigene Regenerationsbereitschaft werden aber nicht unterstützt bzw. gehemmt. Die epidermale Zellreifung wird verzögert und der Säureschutzmantel gestört. Diese Effekte hängen jedoch vom KW-Gehalt ab: Da die meisten Kosmetika nur selten so hohe KW-Mengen enthalten, relativieren sich diese Auswirkungen.
Natürliche Fettstoffe und mineralische Öle verfolgen daher unterschiedliche Ziele. Geht es um reinen Hautschutz, sind Mineralöle eine preislich und sensorisch günstige Entscheidung - mit dem Nachteil einer träger werdenden Haut. In den letzten Jahren tendiert jedoch die Auffassung dahin, dass man auf lange Sicht eine möglichst hohe Regenerationsbereitschaft der Haut aufrecht erhalten sollte und ihr Vorrang vor dem reinen Hautschutz einräumen sollte. Beobachtungen von neuartigen Barrierecremes mit pflanzlichen Triglyceriden ohne Emulgatoren, deren physikalische Struktur den Barriereschichten gleicht, zeigen, dass nicht nur gestörte Barriereschichten, sondern auch zu Verhornungsstörungen neigende Haut wie beispielsweise Aknehaut davon langfristig profitieren.

Verwandte KW und Silikone

Den Paraffinprodukten verwandt sind mikrokristallines Wachs sowie mineralische Erdwachse wie Ozokerit und Ceresin (raffiniertes Ozokerit). Ihre Einsatzgebiete gleichen dem des Petrolatums. Eine interessante Stoffgruppe, mit vergleichbaren Eigenschaften sind die Poly-alphaolefine (PAO). Bei Ihnen handelt es sich um synthetische Kohlenwasserstoffe wie beispielsweise Polypropylen, Polybuten oder Polydecen. Durch gezielte Polymerisation lassen sich diese praktisch auf jede gewünschte Viskosität - von leichtflüssig über dickflüssig zu halbfest - einstellen. Letztendlich ist Erdöl zwar auch hier die Ausgangsbasis, dennoch handelt es sich bei den Endprodukten nicht um Stoffgemische, sondern um ganz einheitliche KW mit definierter Kettenlänge ohne störende Verunreinigungen. PAO werden auch in Lippenstiften (siehe unten) eingesetzt.
In einem Atemzug mit den Mineralprodukten werden vielfach auch Silikone genannt. Die glättende und anhaftende Wirkung höhermolekularer Silikone ist ausgeprägter als bei den Mineralölen. Vor allem die hydrophobe Wirkung bei gleichzeitig samtigem Gefühl wird vom Verwender als sehr angenehm wahrgenommen. Wie die Mineralöle sind Silikone jedoch nicht physiologisch. Sie sind am Stoffgleichgewicht der Haut nicht beteiligt: das heißt, das angenehme Gefühl korreliert nicht mit einer realen, endogenen Regeneration der Haut. Die Haltbarkeit der Silikone ist praktisch unbegrenzt, da sie während des Gebrauchs weder chemisch durch Luftsauerstoff oder Wasser noch mikrobiologisch in nennenswertem Umfang angegriffen werden.

"Konsumierung" von KW

Während Pflanzenöle ein ständiger Nahrungsbestandteil sind, ist bei KW vor allem die Langzeitverträglichkeit von Bedeutung. So konsumieren Frauen i.d.R. ohne Weiteres mehrere Lippenstifte im Jahr, wobei sie kontinuierlich geringe Mengen von KW aufnehmen. Paraffinische KW und Silikone resorbiert der Körper in Spuren oral oder perkutan. Da sie nicht verstoffwechselt werden, speichert sie das Fettgewebe bzw. scheidet der Körper sie unverändert wieder aus. Aufgrund der ungenauen Rahmenbedingungen lässt die vorhandene Literatur keine allgemein gültigen Aussagen zu. Dementsprechend gibt es bis heute keine Auflagen für die Hersteller kosmetischer Präparate.

Hautpflege-Strategie

Die natürliche Haut ist das Substrat für eine natürliche Hautflora, die durch okklusive Bedingungen gravierend verändert wird. Die natürliche Flora erzeugt mittels der ihr eigenen Enzyme aus Triglyceriden freie Säuren und damit einen niedrigen pH-Wert. Dieser wiederum schützt den Körper vor äußerlichen Infektionen durch pathogene Keime.
Interessant ist, dass eine wichtige Quelle der freien Säuren unter anderem Phospholipide sind, die während des Verhornungsprozesses die Säuren freisetzen. Daher ist es vorteilhaft, eher eine physiologische Strategie bei der Hautpflege zu favorisieren und hinsichtlich der Hautfettung Triglyceride den KW vorzuziehen, um die Symbiose mit der Hautflora zu fördern.
Emulgatorfreie Konzepte nutzen häufig Phosphatidylcholin, das zur Gruppe der Phospholipide gehört, zur Erzeugung Hautbarriere-ähnlicher Strukturen.
Wichtig: Bei der Verwendung von Pflanzenölen ist es wichtig, die zu verwendenden Öle auf das Ergebnis der Hautanalyse sorgfältig abzustimmen. Gegebenenfalls sind auch Empfindlichkeiten auf Begleitstoffe zu berücksichtigen. Je nach Raffinationsverfahren und Provenienz können Öle gleicher Deklaration unterschiedliche Eigenschaften haben. Eine fundierte, produktbegleitende Beratung ist für das Pflege-Ergebnis ausschlaggebend.
Haut und Kälte: In der kalten Jahreszeit benötigt die Haut fetthaltige Präparate. Neben wasserhaltigen Cremes bieten sich bei extremen Verhältnissen auch wasserfreie Produkte an. Letztere haben den Vorteil, dass sie keine Emulgatoren enthalten, die das Auswaschen von Creme- und Hautbestandteilen bei der Hautreinigung fördern. Diesbezüglich gibt es zu Vaselinepräparaten mittlerweile Triglycerid-Alternativen, die wie Barrierecremes wirken, nur dass sie wesentlich fettreicher sind. Es handelt sich dabei um Oleogele, die Phosphatidylcholin enthalten, das als membranbildender Stoff ein rasches Einziehen in die Haut ermöglicht.

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Beauty Forum
2008 (3), 102-106

 
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